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Minihaus für RollstuhlnutzerInnen

Christian Bock hat sich mit seiner Tischlerei auf den Bau von Tiny Houses spezialisiert – und realisiert kleine Wohnträume für seine KundInnen. Zusammen mit Jens Conrad hat er ein Tiny House für RollstuhlnutzerInnen umgesetzt. Im kleinen Bad verbaut: S 900 von HEWI. Wie es dazu kam, verrät er im Interview.

Fotos: fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger, auch Header

HEWI: Lieber Herr Bock, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Könnten Sie sich bitte zunächst für unsere LeserInnen vorstellen?

Christian Bock: Sehr gerne! Mein Name ist Christian Bock – inzwischen kann ich auf fast 30 Jahre Erfahrung im Tischlereihandwerk zurückblicken. Meine eigene Werkstatt befindet sich im nordhessischen Bad Wildungen-Braunau. Insgesamt arbeiten 15 MitarbeiterInnen in meinem Betrieb. Zu unseren Leistungen zählen der Möbelbau, Inneneinrichtungen, Fenster sowie Türen, Fußböden, Wandverkleidungen, Treppen und Küchen. Seit gut zehn Jahren bauen wir auch Tiny Häuser. Ich denke, dass wir sogar eines der ersten Unternehmen in Deutschland waren, die Minihäuser umsetzen.

HEWI: Wie ist die Idee bei Ihnen entstanden, Tiny Houses zu bauen?

Christian Bock: Anfangs war es mein Interesse am Konzept „Tiny House“. Ich habe dahinter zunächst keinen großen Markt vermutet. Die Resonanz auf die ersten Projekte war dann allerdings so groß, dass wir das Segment stetig ausbauen konnten. Dazu muss man wissen, dass wir unsere Tiny Häuser immer individuell bauen. Das bedeutet, dass wir kein Modell entwickelt haben, das als Grundlage dient. Uns ist es wichtig, ein Tiny House ganz zielgerichtet auf die Bedürfnisse unserer KundInnen auszurichten. Das ist unser Antrieb. Es soll für die künftigen BewohnerInnen gut funktionieren.

Foto: fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger

Foto: fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger

HEWI: Worauf legen Sie bei Tiny Häusern besonders Wert?

Christian Bock: Bei unseren Tiny Houses liegt der Fokus ganz klar auf der Wohnqualität. Die Beschaffenheit der Materialien spielt für uns eine große Rolle. Wir verwenden bei unseren Minihäusern hauptsächlich natürliche sowie nachhaltige Materialien, darunter Holz oder Schafwolle. Außerdem achten wir darauf, möglichst nachhaltig und ökologisch zu arbeiten. Einige unserer Tiny Häuser sind in einem begrenzten Umfang auch mobil und transportabel. Aber sie sind nicht mit Wohnmobilen zu vergleichen. In einem Tiny House herrscht ein anderes Wohnklima. Dennoch hat man nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung, die es bestmöglich zu nutzen gilt.

HEWI: Und wie ist die Idee von dem Tiny Rolli Haus genau entstanden?

Christian Bock: Unser Kunde Jens Conrad kam auf uns zu. Er ist selbst auf einen Rollstuhl angewiesen und wollte gerne ein Haus mit uns bauen, das rollstuhlzugänglich ist. Für ihn war es besonders wichtig, in dem Tiny House selbstbestimmt zu leben – vor allem, wenn er Urlaub macht. Seine Erfahrungen in Hotels am Urlaubsort waren eher negativ. Obwohl das Hotel als barrierefrei beschrieben wurde, passten vor Ort Abmessungen nicht, die Tür ging zur falschen Seite auf, es gab nicht ausreichend Platz etc. Sein Wunsch war es, mit der neuen Behausung entspannt Urlaub machen zu können.

Foto: fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger

Foto: fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger

HEWI: Wie sind Sie bei der Planung und Umsetzung konkret vorgegangen?

Christian Bock: Für uns war das Tiny Rolli Haus ein Pilotprojekt, indem wir sehr viel herumprobieren mussten. Wir haben unterschiedliche Testläufe vorgenommen. So haben wir beispielsweise den Grundriss auf dem Fußboden aufgeklebt, um eine genaue Vorstellung von den Abmessungen zu bekommen. Wir mussten uns überlegen, wie viel Bewegungsfläche nötig ist. Wie kann man Schränke optimieren, um möglichst viel Stauraum zu gewinnen und dennoch ausreichend Raum für den Rollstuhl zu erhalten. Um das zu prüfen, haben wir zunächst die Hülle des Tiny Houses umgesetzt. Den Innenausbau haben wir allerdings nicht direkt mit den angedachten Materialien durchgeführt, sondern zunächst Dummys aus Sperrholz verwendet. Zusammen mit Herrn Conrad haben wir ausprobiert, was er vom Rollstuhl aus gut erreichen kann, an welche Schubladen er problemlos gelangt, ob er die Fenster öffnen kann etc. Dazu muss man allerdings wissen, dass Herr Conrad die Möglichkeit hat, sich eigenständig aufzurichten und wieder hinzusetzen. Deshalb ist das Tiny House auch nicht barrierefrei im Sinne der DIN-Norm. Für Menschen mit anderen Einschränkungen sind dann sicherlich noch einmal andere Planungen nötig. Durch den intensiven, gemeinsamen Austausch haben wir u.a. festgestellt, dass die Schränke nicht bis zum Boden reichen dürfen, da Herr Conrad dort Platz für seine Füße benötigt. Erst nach der Testphase sind wir in die konkrete Umsetzung gegangen. Einen großen Anteil daran hatte auch unser damaliger Praktikant Jonas Leson, der im Rahmen seines Designstudiums gemeinsam mit uns an diesem Projekt gearbeitet hat.

HEWI: Wie lange haben Sie gebraucht, das Tiny Rolli House umzusetzen?

Christian Bock: Insgesamt haben wir mit der Planung und den Vorgesprächen ein Jahr benötigt. Wir haben uns damit aber bewusst Zeit gelassen. Es gab keinen großen Zeitdruck. Letztlich hat unsere Teilnahme an der Messe IRMA Internationale Reha-, Pflege- und Mobilitätsmesse für Alle dem Projekt einen Schub verliehen, denn wir wollten das Tiny Rolli Haus gerne dort präsentieren. Dies hat sich allerdings erst in der letzten Bauphase so ergeben.

HEWI: Wie viel Zeit benötigen Sie üblicherweise für ein Tiny House?

Christian Bock: Das kommt auf verschiedene Faktoren an. Etwa, wie konkret die Vorstellung der künftigen BewohnerInnen bereits sind. Manchmal benötigen Planungen nur ein bis zwei Monate, manchmal ein Jahr oder länger. Aber zurzeit haben wir generell eine Vorlaufzeit von circa einem Jahr. Oftmals ergeben sich noch in der Planungsphase Änderungen, die sowohl unsere KundInnen als auch unsere Mitarbeitenden anstoßen. Es handelt sich um einen kreativen Schaffungsprozess, in enger Zusammenarbeit. Oftmals fließen Ideen mit ein, auf die man bei der Planung noch nicht gekommen ist.

 

Foto: fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger

HEWI: Gab es bei der Umsetzung des Tiny Rolli Hauses besondere Anforderungen?

Christian Bock: Uns war es bei dem Tiny Rolli Haus besonders wichtig, dass es zwar rollstuhlzugänglich ist, sich aber trotzdem den Charme eines Tiny Houses beibehält. Es sollte keinesfalls einen „Pflegeheim“- oder „Krankenhaus“-Touch haben. Gleichzeitig sollte es wichtige Funktionen geben, sodass Herr Conrad sich selbstständig im Tiny House bewegen kann. Darunter beispielsweise Haltegriffe oder ein Duschsitz im Bad. Wir wollten den Schwerpunkt aber nicht auf seine Defizite legen, sondern ihn bestmöglich unterstützen. Das Tiny Rolli Haus soll seine BewohnerInnen positiv beeinflussen. Das Aussehen und die Formensprache sollten nicht zu kurz kommen. Eine Besonderheit des Hauses ist sicherlich die Rampe, mit der die RollstuhlnutzerInnen das Tiny House komfortabel erreichen. Für einen guten Grip der Reifen haben wir einen Designerfußboden verlegt. Ein ausziehbarerer Kühlschrank, eine unterfahrbare, beheizte Tischkonstruktion sowie Spüle und Herdplatte in Reichweite sorgen für den gewünschten Wohnkomfort. Die kleine Fläche hat sich für Herrn Conrad sogar als Vorteil erwiesen: Er hat die wichtigsten Dinge auf engem Platz, muss sich nur herumdrehen. Von seinem Bett aus kann er sich direkt auf die Toilette ziehen, ohne seinen Rollstuhl zu benutzen.

HEWI: Wie sind Sie auf HEWI aufmerksam geworden?

Christian Bock: Wir haben uns auf dem Markt umgeschaut und geprüft, was für Optionen wir haben, um das Bad auszustatten. Die Produkte sollten zur restlichen Optik des Hauses passen. Als Tischlerei aus Nordhessen ist uns HEWI selbstverständlich ein Begriff. Wir haben etwas Schlichtes, Modernes gesucht und bei HEWI in System 900 gefunden. Letztlich fiel die Wahl auf die Farbe Weiß matt, was hervorragend zum restlichen Interieur des Tiny Houses passt. Das Wichtigste bei der Auswahl war, dass Herr Conrad mit den Produkten zufrieden ist. Und das ist definitiv der Fall.

HEWI: Haben Sie weitere Tiny Häuser dieser Art geplant?

Christian Bock: Das Konzept „Tiny Rolli Haus“ liegt jetzt in der Hand von Herrn Conrad, der sich mit seiner Firma proVice GmbH darauf spezialisiert hat, das Leben für RollstuhlfahrerInnen zu erleichtern. Wir wissen aber, dass er schon jetzt sehr viele Anfragen zu dem Tiny Rolli Haus erhalten hat. Auch auf der Messe IRMA gab es sehr viele positive Resonanzen. Wer möchte, kann das Tiny Rolli Haus über Herrn Conrad selbst einmal mieten, um zu testen, ob es für die eigenen Bedürfnisse geeignet ist. Weitere Infos dazu findet man auf der Website von Herrn Conrad.

HEWI: Vielen herzlichen Dank für das Interview, Herr Bock!

Weitere Informationen zu Herrn Bock und seiner Tischlerei finden Sie unter:
www.bock-tiny-house.de

 

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Detailangaben

Objekttyp

Tiny House

Fotos

fotografische Werkstatt, Katharina Jaeger

Standort

Kalletal

Architekt

-

Jahr

2021

Bauherr

-

Verwendetes Produkt

 

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